0 0

Keine Produkte im Warenkorb.

Zurück zum Shop

Classical Chance

Die Ballett-Kompanie 2.0

Foto: Classical Chance

Foto: Classical Chance

Classical Chance: die Ballett-Kompanie 2.0

Ich würde behaupten, jede*r Tänzer*in auf der Welt hat zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem oder seinem Leben mal mit dem Gedanken gespielt, ob man die Leidenschaft zum Beruf machen kann. Bei mir war es nach dem Abi die Überlegung, Tanzpädagogik zu studieren. Wie wir heute wissen, ist die Wahl auf Modedesign gefallen, aber Aufführungen haben auch heute noch einen ganz besonderen Charme und ein großes Suchtpotential. 

Auch Annika Stange von Classical Chance hat diese Faszination schon früh gepackt und bis heute nicht losgelassen. Aber als nicht professionelle Tänzerin auf die Bühne? Wie soll das denn bitte gehen? Seid gespannt und viel Spaß beim Lesen. 

Liebe Annika, schön, dass du dir Zeit für uns nimmst. Erzähl doch mal, wie bist du eigentlich zum Ballett gekommen?

Das ist gar nicht so einfach. Ich weiß nur noch, dass ich mit vier schon unbedingt Balletttänzerin sein wollte und meine Eltern wirklich regelmäßig genervt habe: Kann ich zum Ballett? Darf ich, bitte, bitte, bitte? 

Und sie haben immer nein gesagt. Also bin ich erst einmal in die Leichtathletik abgewandert. Der Vorteil: Ich wurde im Sportunterricht immer als Erste gewählt. Der Nachteil: Ich durfte kein Ballett tanzen. 

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt eine beste Freundin, die getanzt hat und die habe ich dann heimlich immer gefragt, z.B. nach den Positionen. Und mit 16 hatte ich dann meine erste Ballettstunde.

Kurzer Rückblick: Mit 15 habe ich mit Hip-Hop angefangen, ich habe es gehasst, nur, damit ich in einem Studio bin, wo auch Ballett unterrichtet wird.

Ein Jahr später habe ich mich dann in den Ballettkurs gesneaked und meiner Mutter irgendwann erzählt, ach übrigens, ich tanze jetzt Ballett. Ich war in meiner ersten Stunde so glücklich, dass ich geweint habe. Ich war SO happy! 

Was begeistert dich so am Tanz?

Am Tanz finde ich allgemein toll, dass es ein Ausdrucksmittel ist. Es muss prinzipiell nicht schön sein, sondern hat eine innere Schönheit. An Ballett im Speziellen fasziniert mich, dass die Arbeit niemals aufhört. Ich bin sehr gesegnet mit vielen Talenten und dadurch habe ich mich immer sehr schnell gelangweilt.

Zum Beispiel bin ich sehr musikalisch und habe früh auf der Bühne gestanden. Aber es war immer – nett – weil es mir irgendwie zugeflogen ist. Beim Ballett aber war ich richtig schlecht und dachte, mega, ich habe voll Bock richtig gut zu werden und musste daran auch wirklich hart arbeiten.

Und selbst jetzt, nach vielen Jahren, hört die Arbeit nie auf. In 10 Jahren weiß ich, dass ich immer noch nicht fertig bin und das ist so schön. Jeden Tag stehe ich auf und weiß, was zu tun ist und das gibt eine wunderbare Struktur im Leben. 

Bei Ballett-Kompanien denken die meisten bestimmt an Profitänzer*innen auf großen Bühnen. Du hast im vergangenen Jahr Deutschlands erste Company, Classical Chance, für semiprofessionelle Tänzerinnen gegründet. Wie kam es dazu?

Ich wollte wie gesagt früh Tänzerin werden und habe auch sehr, sehr lange an diesem Traum festgehalten. Ich war immer sehr naiv, was viele kritisiert haben, aber letztendlich hat mich diese Naivität weitergebracht, weil ich nie meinen Optimismus verloren habe.

Als Corona dann kam, hatte ich so viel Zeit, mich noch einmal mit mir selbst auseinanderzusetzen und zu überlegen, was ich im Leben will. Ich kann mich dran erinnern, dass ich irgendwann bei meiner Mutter im Garten saß und sagte, ich weiß, es ist zu spät und ich bin zu schlecht, aber ich MUSS Ballett tanzen.  

Und dann sagte sie, die immer noch irgendwie ein schwieriges Verhältnis zum Tanzen hat, gründe doch einfach deine eigene Kompanie! Meine erste Reaktion war, ne, das kann ich doch nicht machen! Zu diesem Zeitpunkt entstand dann bereits aber der Name Classical Chance und das gesamte Konzept. Als ich dann die erste Bewerbung bekam, ich wohnte damals noch in Hamburg, überrollte mich die Situation etwas und ich dachte Scheiße, jetzt habe ich voll die Verantwortung und habe alles erst einmal wieder abgebrochen. 

Erst drei Jahre später habe ich mich getraut, meinen Traum umzusetzen und bin mit dem ersten Casting richtig auf die Schnauze gefallen. Das ist mir wichtig zu erzählen, weil ich natürlich viele Nachrichten bekomme, wie mutig ich bin und wie gut alles funktioniert. Es hat aber ganz lange nicht funktioniert! 

Das Vortanzen war eine Katastrophe. 15 waren da, zwei wollten mit mir arbeiten und eine davon hat nach kurzer Zeit festgestellt, es ist nichts für sie. Great. Das war mega der Tiefschlag. Dadurch, dass diese eine Tänzerin (Maja, heute immer noch ein wichtiger Teil der Company) gesagt hat, das wird schon, wir schaffen das irgendwie, habe ich nicht aufgegeben. Erst Mitte 2023 habe ich noch eine Tänzerin und noch eine gefunden und dann kam das Ganze erst langsam ins Rollen. 

Foto von Balletttänzerin, die einen Spagatsprung macht

Wo denkst du, liegen die Unterschiede von Classical Chance verglichen mit einer professionellen Kompanie?

Ein wichtiger Punkt ist, dass die Hierarchie bei uns sehr flach ist. Wir haben drei Hauptmitglieder, die über das Repertoire und die grobe Rollenverteilung entscheiden, aber jede Tänzerin darf immer Wünsche äußern, was sie gerne tanzen würde. 

Außerdem ist es mir wichtig, dass sich die Tänzerinnen sicher bei mir fühlen und das Gefühl haben, ihre Grenzen im positiven Sinn überschreiten zu können. Wir aber eine Art Safe-Space sind und es immer kommuniziert werden kann, wenn sich jemand unwohl fühlt. Ich will diese ganze toxische Umgebung nicht haben.

Was ist dir in der Zusammenarbeit mit deinen Tänzerinnen wichtig?

Ich möchte vermitteln, dass man spät anfangen und trotzdem richtig gut werden kann. Es heißt immer, dass wenn man mit 16, 18 angefangen hat, man lebenslang Anfängerin bleibt. Das stimmt einfach nicht! Und man kann so viel erreichen, wenn man das Training ernst nimmt. 

Deshalb ist mir der Begriff semiprofessionell auch so wichtig, weil ich zeigen möchte, dass es eben kein Amateurballett für Erwachsene ist. Es gibt mittlerweile einige Ballettkompanien, die sehr bemüht sind, ihren Tänzer*innen physisches und psychisches Wohlbefinden zu ermöglichen, und auch daran möchte ich mich orientieren. 

Wie kann man eigentlich bei euch Mitglied werden?

Als Erstes sollte man uns kontaktieren und erzählen, wie der tänzerische Background ist. Wir nehmen tatsächlich keine Profi-Tänzerinnen an. Außerdem ist Vorerfahrung auf Spitze wichtig. Diesen Punkt haben wir schon oft diskutiert, aber für mich gehört das dazu und ich sehe es eher als Ansporn für die Tänzerinnen, ihr Training zu intensivieren und sich zu verbessern. 

Wenn das alles passt, laden wir die Tänzerinnen ein und starten eine vierwöchige Probezeit. In diesem Zeitraum können sowohl die Tänzerin als auch wir unverbindlich schauen, ob es tänzerisch und menschlich passt. Sympathie und Zuverlässigkeit sind uns enorm wichtig. Mir ist total egal, wie alt, wie groß oder schwer du bist, Hauptsache du kannst tanzen bzw. bist bereit, das Ballett und dein Training ernst zu nehmen.

Wie sieht so ein typischer Tag bei Classical Chance aus?

Unsere Proben sind von 11 Uhr bis 13.30 Uhr und wir empfehlen den Tänzerinnen immer eine halbe Stunde früher vor Ort zu sein, um sich ein wenig warmzumachen.

Um 11 Uhr gebe ich dann eine kleine Warm-up-Stange, in der man kurz in den Körper reinfindet und danach übernimmt Cate für das Repertoire. In der Regel haben wir pro Probe 2-3 Stücke, die wir lernen oder wiederholen.

Du sagtest ja bereits, dass du einen Anspruch an euer tänzerisches Niveau hast. Sucht ihr euch speziell Variationen aus, die ihr umsetzen könnt oder wandelt ihr gewisse Teile auch mal ab, wenn diese vom Level zu schwierig sind?

Wenn wir über das Repertoire entscheiden, machen wir dies in erster Linie von der Anzahl unserer Tänzerinnen abhängig, weniger vom Niveau. Wenn wir uns dann entschieden haben und merken, dass es an der einen oder anderen Stelle nicht geht, achten wir immer darauf, dass sich die Versionen nicht zu sehr vom Original unterscheiden. 

Gerade im Chor sind wir etwas flexibler, was die Choreografie angeht. Dadurch, dass es so viele unterschiedliche Kompanien gibt, gibt es auch die unterschiedlichsten Varianten und wir picken uns dann die Version heraus, die für uns am besten passt. Wichtig ist, dass sich alle wohlfühlen, auch Tänzerinnen, die zum Beispiel noch nicht so sicher auf Spitze sind. 

Und, wo willst du mit Classical Chance noch hin?

Das ist aktuell die Hauptfrage, mit der ich mich beschäftige. Wenn es nach mir ginge, möchte ich das Projekt zu meinem Hauptjob machen. Ich habe richtig, richtig Lust auch mehrmals im Monat aufzutreten und bin bereit, 200 % von mir dafür zu geben. Viele Tänzerinnen von uns sind das aber nicht, was vollkommen ok ist und ich respektiere. 

Daher versuche ich gerade einen guten Mittelweg zu finden oder auch über eine zweite Company nachzudenken. Mein Ziel wären 2-3 große Produktionen im Jahr und damit zu touren, gerne durch ganz Deutschland. Auch um zu zeigen, dass man die Profi-Ausbildung nicht braucht, um richtig gut zu tanzen und das Ballett für die breite Masse zugänglich zu machen. 

Möchtest du sonst noch was mit der Welt teilen?

Ja, Shoutout an unseren ersten Sponsor Hacke und Spitze, vielen Dank! Das Team hat uns 10 professionelle Tutus geschenkt und rettet damit unsere Dornröschen-Produktion. 

Classical Chance: Foto einer Balletttänzerin in einem blauen Samttutu

Es ist so wichtig, dass wir Menschen wie Annika auf der Welt haben, die ihren Kopf immer ganz weit aufmachen und für die es keine Grenzen gibt. Nur so lässt sich Modernisierung und Wandel, egal ob im Ballett oder in anderen Bereichen, vorantreiben.

Wenn ihr auf dem Laufenden bleiben wollt, was bei Classical Chance so abgeht, folgt der Company gerne auf Instagram. Merci, liebe Annika! 

Kimberley
Kimberley

Das könnte dich auch interessieren

Lotte Hauss: Portrait von Frau vor Gemälde

Künstlerin Lotte Hauss über das „Gefühl fürs Zuhause“

In einer ganz normalen Einwohnerstraße mitten in Hamburg, Winterhude verbirgt sich ein echter Lebens(t)raum, den sich viele von uns nur wünschen können. Und genau hier lebt, liebt und arbeitet die freischaffende Künstlerin Lotte Hauss. Wie die Working Mum eigentlich zur Kunst gefunden hat und warum ihre Großmutter eine ihrer Musen